Bedburg lebt Demokratie - Aktionswoche „Leben in Vielfalt“
In der Woche um den 20. Januar 2022 fand anlässlich des 80. Jahrestags der Wannseekonferenz eine Aktionswoche „Leben in Vielfalt“ im Rahmen des Projekts „Bedburg lebt Demokratie“ statt.
An diesem Jahrestag gab es unter dem Slogan „Gegen Antisemitismus – für Toleranz“ eine Schülerführung über den jüdischen Friedhof in Bedburg mit einer Gruppe vom Silverberg-Gymnasium. Heinz Obergünner vom Verein für Geschichte und Heimatkunde Bedburg e.V. berichtete von den Verfolgungen und Diskriminierungen der Juden seit der Antike und der systematischen Ermordungen vor und vor allem nach der Wannseekonferenz am 20.01.1942. Neben den allgemeinen Grausamkeiten wurden der in Bedburg ansässigen Jugend auch Einzelschicksale jüdischer Bedburger*innen geschildert. Schwierige Themen wie die Reichspogromnacht in Bedburg wurden genauso besprochen wie die aktuelle Lebenssituation von den Bedburger*innen, die die Stadt und das Land verlassen mussten oder konnten. Weitere Informationen zum Vortrag von Heinz Obergünner, dem Vorsitzenden des Geschichtsvereins Bedburgs, auf dem jüdischen Friedhof finden Sie hier.
Am Nachmittag fiel der Vorhang für die erste Jugendkonferenz der Partnerstädte Bedburg und Pardes Hanna-Karkur. In einem digitalen Workshop zum Thema „Leben in Vielfalt“ hörten sie sich einen Vortrag der Islamwissenschaftlerin Patricia Jessen über Vorurteile, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Diversität in der heutigen Zeit an. Anschließend sprachen die 34 Jugendlichen in digitalen Gruppenräumen über ihre Erfahrungen und lernten sich erstmalig kennen. Das Ganze fand in Englisch statt, eine Herausforderung, die die Schüler*innen mit Bravour gemeistert haben. Ehrengast bei der Veranstaltung war Yossi Meiri, Initiator der Städtepartnerschaft und Urenkel von Hermann Franken, dem einstigen Besitzer des historischen Rathauses in Bedburg.
Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft!
Zu diesem Schluss kamen die Teilnehmer*innen bei dem Aktionstag am 22. Januar. Bei Nieselregen und Kälte wiederholte Heinz Obergünner am jüdischen Friedhof seinen Vortrag, diesmal nahmen interessierte Bürger*innen teil. Er schilderte die Ausgrenzungen und Verfolgungen der Juden sowie die Ereignisse bei der Wannseekonferenz, die sich der Endlösung der europäischen Judenfrage widmete. Außerdem ging er auf Einzelschicksale von Bedburger Juden sowie auf öffentliche Ereignisse am Marktplatz und am Bahnhof während der Kriegsjahre ein. Obwohl die historischen Vorfälle größtenteils bekannt sind, stand den Zuhörer*innen trotzdem die Fassungslosigkeit in die Gesichter geschrieben, vor allem wenn über die Produktivität und Herzlosigkeit der Zuständigen gesprochen wurde.
Die Themen waren für einen Samstagvormittag sehr bewegend, schön war am Ende aber die Auseinandersetzung mit der neuen Städtepartnerschaft der Stadt Bedburg. „Wer die Geschichte der Bedburger Juden kennt, sieht die im Jahr 2020 gegründete Städtepartnerschaft mit der israelischen Stadt Pardes Hanna-Karkur und die dort ansässigen Nachkommen der Familie Franken mit anderen Augen“, sagte Anna Noddeland, Leiterin der Stabsstelle Soziale Stadt und Ansprechpartnerin für das Projekt „Bedburg lebt Demokratie“. „Die Städtepartnerschaftsbewegung ist die größte Friedensbewegung der Welt“, erläuterte sie weiter, „Sie setzt sich für Toleranz, Offenheit und Dialog ein, etwas, dass die Stadt Bedburg mit der Teilnahme am Bundesprogramm ‚Demokratie Leben!‘ und dem Projekt ‚Bedburg lebt Demokratie‘ auch versucht.“
Im Anschluss lud die Stadt Bedburg zu einer Onlineveranstaltung ein. „Die Wannseekonferenz ist in ihrem Grauen einzigartig, aber wir alle haben noch einen sehr langen Weg zur globalen Menschlichkeit vor uns“, sagte Bürgermeister Sascha Solbach in seiner Begrüßungsrede. „Um dies zu erreichen, müssen wir uns austauschen, kennenlernen und diskutieren, das alles mit Fairness. Auch heute sind es die Populisten, die wieder vermeintlich mehr sind,“ fuhr der Bürgermeister fort. „Wir müssen uns laut gegen diese Darstellung wehren. Demokratie ist manchmal echt anstrengend, sie kann nerven und kostet oft die letzte Kraft. Aber das müssen wir aushalten“, meinte Bürgermeister Solbach, „Denn, wie im Rheinland oft zitiert: Jeder Jeck ist anders. Und das ist auch gut so.“
Es folgte ein Fachvortrag von Patricia Jessen, Mitbegründerin von Integralis e.V. , dem Koordinierungspartner der Stadt Bedburg im Rahmen vom Projekt „Bedburg lebt Demokratie“. Die Referentin sprach über Antisemitismus und den Unterschied zwischen Israelkritik und Judenfeindlichkeit. Sie veranschaulichte nicht nur mögliche Akteure, deren Motive und generelle Auswirkungen der Taten, sondern auch aktuelle Themen wie Corona, Montagsspaziergänger und versteckter Antisemitismus im Alltag.
Am Ende waren sich alle Teilnehmer*innen einig, dass das Thema in die Öffentlichkeit gehört. Vor allem sollte dem Ansatz der Partnerschaft für Demokratie Bedburg weiter gefolgt werden, junge Menschen noch stärker in dem Dialog einzubinden und durch persönliche Erfahrungen mit Orten oder Zeitzeugen, soweit noch möglich, einen direkten Bezug zu den Geschehnissen zu vermitteln und dadurch die Sensibilisierung voranzutreiben. Weitere Projekte sind im Laufe des Jahres geplant, die Bundesförderung durch das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für diese und ähnliche Projekte ist bis einschließlich zum Jahr 2024 zugesichert.