Ortschaft Kirch- / Grottenherten
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Sente Margraten Herten, Hertene
Steinzeitliche Besiedlung im Raum Kirch- und Grottenherten lässt sich nicht zweifelsfrei nachweisen, da hier keine großflächigen Ausgrabungen stattfanden. Lediglich kleine Fundstücke von lokal Forschenden lassen auf die Anwesenheit von Menschen aus diesem Zeitraum schließen. Eine Ansiedlung ab der Jungsteinzeit gilt aber als wahrscheinlich; die nomadischen Stammesgesellschaften Zentraleuropas wurden zu dieser Zeit zunehmend sesshaft. Eine Siedlungsgeschichte vor urkundlichen Nachweisen kann durch archäologische Funde aus der Römer- und Frankenzeit aber zweifelsfrei belegt werden.
Die erste schriftliche Erwähnung erfuhr Kirch-/Grottenherten im Jahr 893 im Urbar (ein Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft) der Abtei Prüm unter dem Namen „Hertene“, zusammen mit „Betbure“ (Bedburg) und „Obendorpht“ (Oppendorf). In diesem Güterverzeichnis wird jedoch festgehalten, dass die zwölf zu Hertene gehörenden Höfe unbewohnt seien. Die zwischenzeitliche Aufgabe des Ortes könnte in Einfällen durch die Normannen begründet sein. Die Ortsbezeichnung „Hertene“ weist auf größere, den Doppelort umgebende Waldungen hin. Sie stammt von hart – ina, wobei hart einen Wald auf einer Anhöhe bezeichnete und das Suffix -ina im Germanischen die Zugehörigkeit zu einer Ansiedlung oder Wohnung ausdrückte.
Die Kölner Benediktinerabtei St. Pantaleon hatte in Hertene bis 1107 Besitzungen, dies könnte eventuell in einem Gütertausch mit Prüm begründet liegen. 1174 überließen Reichsministerialen (ritterliche Dienstmannen) des Kaisers Friedrich I. dem Kloster Brauweiler Grundstücke, darunter der Hahnerhof sowie ein Teil von „Hertene“. Schon 1190 jedoch wurde die Schenkung an das Kölner Domkapitel weiterverkauft.
Wahrscheinlich noch vor dem Spätmittelalter (ca. 1250 bis 1500) erstreckten sich über Kirch-/Grottenherten mehrere Grundherrschaften mit eigenen Fronhöfen, auf denen die Vertreter des jeweiligen Herren lebten. Diese entwickelten sich vermutlich allmählich zu eigenständigen Zentren. So war es wohl nicht eine dörflich-gewachsene, sondern eine frühe grundherrschaftliche Prägung, die die Aufteilung in den heutigen Doppelort hat entstehen lassen.
Um 1300 strebte der Graf von Jülich aufgrund seines wachsenden Herrschaftsbereichs eine formalisierte Verwaltung seiner Besitzungen an. In diesem Zuge entstand mit dem Amt Kaster ein Gerichtsbezirk – und ein fast gleichförmiges Kirchspiel –, zu dem neben Kaster auch Kirch-/Grottenherten, Kirch-/Kleintroisdorf sowie Pütz gehörten.
1444 wurde Hertene in die Auseinandersetzung zwischen Herzog Wilhelm V. von Jülich und dem Herzogtum Geldern hineingezogen. Danach blieb der Ort für nahezu 100 Jahre von weiteren Kriegsereignissen verschont, bevor 1542 der Streit um Geldern erneut ausbrach und Kirchherten durch kaiserliche Truppen niedergebrannt wurde. Danach kam der Ort nicht mehr zur Ruhe: der Freiheitskampf der Niederlande gegen Spanien (ab 1568), der Truchsessische Krieg (1583-1588), der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) sowie der Einfall französischer Truppen Ludwigs XIV. zwischen 1672 und 1678 verwüsteten den Ort mehrere Male.
Eine Besonderheit in der Geschichte des Ortes war die sogenannte „Nachbarordnung“, die im Jahr 1577 aufgestellt wurde. Sie regelte das ländliche Zusammenleben, in der zahlreiche Vorschriften etwa über Viehhaltung, Feldbestellung, Gewässerreinhaltung, aber auch Verordnungen wie Polizeistunde, Wirtshausbesuche, Tanzveranstaltungen, Rauchen in der Öffentlichkeit, Betteln usw. erlassen und gleichzeitig Sanktionen bei Übertretungen vorgegeben wurden.
Unter napoleonischer Herrschaft wurden erstmals statistische Erhebungen erstellt. Danach lebten im Jahr 1802 in Kirchherten 749 und in Grottenherten 350 Personen in etwa 150 Haushalten; beide Orte erfuhren einen enormen Bevölkerungszuwachs: ein Jahr später waren es schon 817 Personen in Kirchherten und 383 in Grottenherten.
Eine auf die französische Besetzung des Rheinlands folgende französische Gebietsreform (1801) hatte in ihrer Grundstruktur lange Bestand: Die Orte wurden, jetzt ohne Kaster, in der Mairie (Gemeinde) Pütz vereint und unterstanden dem Canton (Kreis) Bergheim im Département (Bezirk) de la Roer. Der Amtssitz der weitläufigen Gemeinde lag in ihrem größten Dorf: Kirchherten. Dessen Namen erhielt die Gemeinde aber nicht, sondern den des Wohnorts ihres ersten Maire (Bürgermeister), Henri Meuser aus Pütz.
Als das Rheinland nach dem Wiener Kongress 1814/15 an Preußen überging, blieb der Verbund in der preußischen Kommunalgliederung als Landgemeinde Pütz erhalten. Eine Ausnahme in dieser Kontinuität stellten nur einige wenige Jahre ab 1937 dar, in denen die Orte dem Amt Königshoven angehörig waren. Die Zeit unter preußischer Herrschaft war geprägt durch die Gründung der Bedburger Industriebetriebe und die damit verbundene Landflucht, in der sich viele landwirtschaftliche Arbeiter und Bauern als Industriearbeiter verpflichteten. Begünstigt wurde dies auch durch die Eröffnung der Schmalspur-Eisenbahnstrecke von Bedburg nach Ameln im Jahr 1898.
Schon vor der Reform des Vereinswesens (1908) – einem wichtigen Beispiel für die beständige Ausweitung der Grundrechte im Kaiserreich – hatten sich Menschen im Doppelort anhand ihrer Hobbies und Interessen in Vereinen zusammengefunden. Die ersten waren die Gesangsvereine, allen voran der Kirchenchor St. Caecilia von 1873. In den 1920er Jahren kamen auf etwas mehr als 1.500 Einwohner*innen schon mindestens 20 Vereine. Sie traten zum Beispiel in Form von konfessionellen Vereinen oder Bürgervereinen zusammen, organisierten die bis heute bestehenden Kirmessen in beiden Orten oder widmeten sich dem Theater, der Musik und dem Sport.
Mit der kommunalen Neugliederung von 1975 kamen Kirch-/Grottenherten, zusammen mit den anderen Orten der Landgemeinde, zur Stadt Bedburg.
Sehenswürdigkeiten und besondere Bauwerke in Kirch-/Grottenherten
Kirche St. Martinus
Die Herkunft der katholischen Pfarrkirche St. Martinus aus der Merowingerzeit wird durch das fränkische Patrozinium (die Schutzherrschaft eines Heiligen über eine Kirche) nahegelegt; ihre Existenz ist urkundlich seit 1288 belegt. Vermutungen über ihr Entstehen gehen allerdings bis in 7. Jahrhundert zurück. 1513 wurde die Kirche erstmalig erweitert. 1642 durch hessisch-weimarische Truppen niedergebrannt, wurde sie 1659 mit Hilfe einer Landeskollekte wieder aufgebaut. Zum Bau nutzte man Bausteine der zerstörten Burg in Kaster. Zwischen 1857 und 1861 wurde sie abgebrochen und durch einen größeren Neubau ersetzt; lediglich der alte Turm blieb erhalten.
Hauskirche
Kirchherten besitzt noch eine weitere Kirche: die sogenannte „Hauskirche“, die älteste evangelische Kirche im Rhein-Erft-Kreis, die noch in Benutzung ist. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde im Jahr 1684 auf dem nach einem Brand erworbenen Bauerngrundstück am Ortsrand gebaut. Der kleine Dachreiter als Glockenstube wurde erst bei einer Renovierung der Kirche und Erweiterung der Pfarrwohnung 1827 aufgesetzt, 1987 wurde der Dachstuhl samt der tragenden Konstruktion des Glockenturms umfassend saniert und verstärkt. Bis heute werden die Glocken von Hand geläutet.
Kapelle St. Margareta
Grottenherten verdankt seine Eigenständigkeit dem landesherrlichen Hof mit Eigenkapelle St. Margareta. Sie bestand bereits, als Gerhard von Jülich im 14. Jahrhundert den Fronhof erwarb. Den ersten Bau datiert man ins 11./12. Jahrhundert. In Grottenherten tauchte erstmalig 1470 ein Beleg über eine eigene Kapelle auf, die der Margareta geweiht war. Auch über deren Gründung existieren nur Vermutungen bis Mythen; sie soll von Karl dem Großen nach dem Wiederauffinden seiner verirrten Tochter, die in der Gegend auf der Jagd war, um 800 gebaut worden sein. Im Lauf der Zeit fanden mehrere Umbauten statt, die letzte 1978.
Fachwerkbau
Neben anderen Backsteinbauten, wie dem Pfarrhaus bei der katholischen Kirche (von 1793 bis 1810), weist Kirchherten noch einen Fachwerkbau von 1558 mit niedrigem Anbau (Zaunstraße 99) auf. Das zweigeschossige Wohnhaus mit Kniestock hat straßenwärts ein hohes Dach mit Krüppelwalm. An der Pützer Straße wurde 1862/63 durch Pfarrer Kremer ein größeres Backsteinhaus errichtet, in dem zunächst die Franziskanerinnen aus Salzkotten ein Heim für Alte und Waisenkinder gründeten. Durch den Kulturkampf in den 1870er-Jahren stand das Haus dann einige Jahre leer, bevor 1893 die Dominikanerinnen von Arenberg das Kloster „Maria Hilf“ reaktivierten und gleichzeitig die ambulante Krankenpflege für die Gegend übernahmen. Daneben wurden in einer Sonntagsschule junge Mädchen unterrichtet.
Grottenhertener Turmwindmühle
Im westlichen Außenbereich beherrscht auf künstlichem Hügel die Grottenhertener Turmwindmühle (1831) mit ihren Nebenbauten die Umgebung. Ihr Backstein-Rundturm mit anlaufendem Außenmauerwerk trägt noch die mit Schindeln gedeckte Haube mit 1981 erneuerten Flügeln. Haube, Krühwerk und Mahlwerk sind noch vorhanden. Neben der Mühle in Pulheim-Stommeln ist die Grottenhertener Mühle heute die einzige noch tätige Windmühle im Erftkreis.
Kaiskorb und Hahnerhof
In unmittelbarer Nähe liegen noch zwei markante Orte: „Kaiskorb“, ein größeres Gut mit einem Reservoir der Kreiswasserleitung, sowie der „Hahnerhof“ mit einem Teich und einer kleinen Kapelle. Der Legende nach soll die Quelle des Teiches nie versiegen und das Wasser stets frisch sein.
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Jubiläumstext anlässlich des 1130-Jährigen Jubiläums von Kirchherten